20. Mai 2021
Ich hatte wieder die Möglichkeit, mit Menschen in unserem Gesundheitswesen zu reden, weil mein Kind wieder für ein paar Wochen stationär war. Jetzt ist alles etwas stabiler, wir sind wieder zu Hause, und ich kann meine neuen Erkenntnisse verarbeiten.
Ich bin wirklich froh darüber, dass ich mich auf ein reales Thema unter den vielen Themen, die in unserer Klinik im Argen liegen, eingepegelt habe, denn die Zusammenarbeit war wieder abenteuerlich. Macht mich ein Mitarbeiter durch fehlende Empathie traurig? Reden Mitarbeiter nicht miteinander und gefährden so die Behandlung? Ist nicht ihre Schuld, sie arbeiten in einer Organisation, die nicht funktioniert und müssen ständig entscheiden, ob sie kämpfen, durch politische Spielchen oder dumpfe Macht durchsetzen, oder laufen lassen. Klar sind sie frustriert bis ausgebrannt.
Sie brauchen Mitarbeiterzentriertes Service Design.
Diese Woche habe ich im ersten längeren und persönlichen Gespräch mit einem Mitglied unseres Ärzteteams (auch so ein Symptom – kein wirkliches Gespräch in fast 2 1/2 Jahren) herausgefunden, wie Service Design in der Organisation aktuell funktioniert: Jemand, der schon in einer leitenden Rolle in der Klinik arbeitet, erklärt sich bereit, es zu tun, und macht es dann. Weil keine neuen Kompetenzen dafür bereitgestellt werden, passiert das ohne User Research, und was auf diese Weise gestaltet wurde, entwickelt sich nicht durch das Feedback der Nutzer weiter.
Man merkt das wirklich am Klima in der gesamten Organisation. Prozesse, wenn sie existieren, sind Provisorien. Als Mitarbeiter kann man da nichts machen, soviel man auch will. Man ist frustriert und gereizt. Das Schlimmste ist, dass die Menschen an der Front unter jeder Veränderung, jeder neuen Technologie, die nicht mit gut gestalteten Prozessen eingeführt wird, leiden. Mehr Arbeit, mehr Belastung, mehr Frust.
Wo es so viel Unsicherheit gibt, weil Menschen etwas tun, ohne dafür wirklich qualifiziert zu sein, gibt es auch keine Transparenz darüber, wer etwas gestaltet hat. Und so weiß man nicht, wo Feedback denn überhaupt etwas nützen würde.
Auf eine Art bin ich beeindruckt, dass eine große Gruppe von Menschen eine ganze Gruppe von Spezialisierungen einfach verpasst hat. Es ist ja nicht nur unsere Klinik. Ich vermisse das Thema Service Design im gesamten Gesundheitswesen. In der Art, wie neue Infrastruktur eingeführt wird. In den Positionspapieren von, zum Beispiel, dem Bündnis für Digitalisierung der Pflege, das statt gut gestalteten Organisationen lieber vorschlägt, dass Pflegekräfte im Change Management geschult werden. Im Health Innovation Hub fehlt es als Thema. In den einschlägigen Zeitschriften wird es nicht erwähnt.
Ich habe in der Zwischenzeit einen langen Artikel geschrieben, für eine Zeitschrift, die ein Wissenschaftler aus unserer Klinik im April gestaltet hat. 2500 Wörter darüber, was nicht gut läuft und was man stattdessen machen könnte. Ich freue mich aber, dass ich mir nicht die Mühe gemacht habe, ihn für diesen Blog zu übersetzen oder mehr Aufmerksamkeit dafür zu gewinnen. Denn die Woche nach der Veröffentlichung hatte ich einen Zoom Call mit dem Leiter des Zentrums für Entrepreneurship der Uni Rostock, der die Klinikleitung zum Thema Service Design berät und sich als Experten für Service Design, digitale Transformation, Kulturwandel, halt alles Innovative darstellt. Das Ergebnis ist ein Ideenwettbewerb mit Ausgründungen als Zielstellung, und dass das nicht das richtige Werkzeug ist, um die Prozesse in der Klinik zu verbessern, kann ich auch in zehn Wörtern erklären, da brauche ich keine 2500.
Ein Ausgründungswettbewerb wird die Prozesse in einer Organisation nicht verbessern.

Um etwas, das in der Klinik nicht funktioniert, zu verbessern, soll man sich nicht mit Alleinstellungsmerkmalen und Profit und “den Kompetenzen eines Gründungsteams” beschäftigen müssen. Die Motivation hinter Service Design ist nichts anderes als eine Organisation, die funktioniert, und die ganz besonders für die Menschen funktioniert, die am wenigsten gehört werden, am wenigsten für sich kämpfen können. Darüber muss man reden, damit diese Intention allen klar wird. Innovation im öffentlichen Dienst muss nicht geizig versteckt werden. Wir sind nicht im Wettbewerb miteinander wie Startups. Nachmachen ist erwünscht.